Dienstag, 4. August 2015

Die Russische Seele im Kampf gegen die Welt




RF vs EU

"Mit dem Verstand ist Russland nicht zu begreifen, an Russland kann man nur glauben."

Fjodor Tjuttschew 1866

 Die Europäische Union ist ein großer Völkerbund, ein Konstrukt welches versucht viele verschiedene Nationen, viele verschiedene Werte, Kulturen und Religionen in eine einheitliche Föderation zu zwingen. Damit es bestehen kann muss es tun was jede Föderation tun muss - im Frieden mit den Nachbarn leben und wirtschaftlich gedeihen. Daher war es schon immer vorgesehen, sich so weit wie möglich nach Osten auszubreiten spätestens aber dann, wenn das West- und Zentraleuropa vereinigt wurde. Nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und später der UdSSR, wurde eine Erweiterung nach Polen, Ungarn und Baltikum möglich, es wurde Zeit auch Länder wie die Ukraine an sich zu ziehen und zu binden.

 Doch die Ukraine hat ein großes Problem - einen machthungrigen und unberechenbaren Nachbarn, einen Staat welcher nicht duldet, wenn sich eine andere Größe an seine Grenzen heranschleicht. Möge es um militärische oder nur um wirtschaftliche Interessen gehen - das ist für dieses Land nicht wichtig. Russland ist dieser Nachbar und wird schon so lange es existiert hauptsächlich von autoritären Herrschern angeführt. Das ist kein Zufall, dieses Schicksal geht nicht immer gegen den Willen des russischen Volkes, vielmehr ist es im Einklang mit den russischen Chauvinismus - einem Teil der in Deutschland so schöngeredeten "Russischen Seele".


Die westliche Verwirrung um die "Russische Seele"

 Diese "Russische Seele" ist freundlich, gastlich, herzlich und sehr, sehr musikalisch. Doch dies betrifft die Russen im einzelnen, als Menschen und kleine Grüppchen die zusammen feiern und trinken, sich unterstützen und Fremden zu gerne helfen. Als Volk, als Masse jedoch, werden sie von nationalistischen Chauvinismus übermannt und betrachten sich als die größte, mächtigste und beste Nation der Welt. Das hier scheint doch an etwas zu erinnern. War da nicht etwas bei dem Ausdruck "das beste Land der Welt", "das wunderbarste Land" ? ... Ach ja, auch das gleiche sagen die US Amerikaner von ihren Land. Doch Russland ist nicht die USA und selbst wenn die USA kein perfektes Traumland ist - und es nie gewesen ist - so gibt es was die Demokratie angeht gewaltige Unterschiede. Während in den USA die Demokratie noch als solche bezeichnet wird, nennt Wladimir Wladimirowitsch Putin das System im Land welches er anführt - "Demokratur".



 Fragt man auf der Straße einen Deutschen, wie seiner Meinung nach sein Land in der Welt betrachtet werden sollte, welche Attribute seinem Land zugeschrieben werden sollen, so antwortet er meist: Tüchtigkei, Pünktlichkeit, Qualität, Wissen, Klugheit, Freundlichkeit, Weltoffenheit, Hilfsbereitschaft. Stellt man einem Russen in Russland die gleiche Frage lautet die Antwort: die anderen Länder sollen die Macht Russlands anerkennen, sie sollen sich vor unserer Macht führchten, vor unserer starken Armee erzittern und sie müssen auf uns hören. Im Falle eines Krieges würden die meisten heutigen Westeuropäer den Dienst an der Waffe verweigern, sie würden flüchten, sich dem Feind ergeben oder unterwerfen. Denn die allgemeine Dekadenz in der Gesellschaft hat sie schwach und weich gemacht, sie sind nicht religiös, sie haben keine echten Werte mehr, ihr Land, die Freiheit und Gesellschaft sind für sie zweitrangig oder gar egal. Sie haben materiell gesehen viel zu verlieren, sie wollen nicht, daß ihr bisheriges Leben, erfüllt von Spaß und Spielen sich verändert. Darauf wollen sie nicht verzichen, seelische und höhere Werte wie die Heimat oder Freiheit zählen für immer mehr Westeuropäer immer weniger. Die Russen hingegen würden bis zum letzten Blutstropfen und Atemzug kämpfen, sie würden in Erdlöchern hausen, Speck und Kartoffel essen und hungern, sie würden Millionen eigener Leute in den Tod schicken, ihr ganzes Land und den Rest der Welt in Schutt und Asche legen, am Ende den Berg aus unseren Leichen erklimmen und auf der Spitze ihre Fahne hissen. Es wäre ihnen egal, daß es keinen Grund gibt sich zu freuen, es würde sie nicht weiter stören, daß nun alles vernichtet ist, denn für sie zählt nur eines: "wir haben gewonnen und Russland ist stärker als alle anderen!". Und genau das ist die dunkle Seite der "Russischen Seele" und diese ist weitaus weniger freundlich und angenehm.

 Russland wird von den meisten Kommentatoren im Westen missverstanden. Ein Land ist nicht immer gleich mit seinen Bürgern im einzelnen zu vergleichen. Ein Staat ist niemals emotional, es ist niemals so wie man seine Bürger empfindet. Russland ist ein Land, welches mit seinen Ellbogen Diplomatie betreibt. Es ist nicht etwa ein freundlicher, offen regierter Staat. Nicht seit heute, nicht seit gestern - das war schon seit immer so. Es gibt kein einziges Nachbarland Russlands, welches nicht schon mindestens einmal seine militärischen Konflikte mit Russland hätte. Egal ob Finnland, die drei Länder im Baltikum, Ukraine, Polen, Ungarn, Rumänien, China oder Japan - alle sie wurden in der Vergangenheit von Russland hinterhältig überfallen (einige davon mehrfach), geplündert, beraubt, annektiert, okkupiert oder unterworfen. Und all das über Jahrhunderte hinweg - egal welches System vorherrschte und wer im Kreml gerade die Strippen zog. Es ist daher nicht verwunderlich, daß die Bewohner dieser Länder einen Anspruch auf die eigene, ganz spezifische Sichtweise des wahren Wesens ihres Nachbarn haben.


Die Fleischgewordene Russische Seele

 Jetzt in im neuen Millennium herrscht schon wieder ein autoritärer Führst im Kreml, ein gerissener, talentierter und sehr verschlagener Politiker. Sein Fach erlernte er beim sowjetischen Geheimdienst, sein Werdegang und seine Erfahrungen prägten ihn. Es ist ein ganz anderer Mann als der lustige und sympathische, jedoch stets Sturzbetrunkene Boris Jelzin. Er ist auch mit den kommunistischen Würdenträgern wie Chruschtschow, Breschnew, Andropow oder Gorbatschow nicht zu vergleichen. Putin präsentiert sich vorzüglich in den Medien, hält sich mit Judo fit, er reitet auf Pferden mit freiem Oberkörper, fliegt mit den Gänsen, taucht in Seen und holt aus ihnen jedes mal antike Vasen heraus, er heilt mit bloßen Händen verletzte Tiger aus und tanzt mit den Bären in der sibirischen Taiga. Damit imponiert er seinem Volk, spricht die niedrigsten Instinkte seiner Landsleute an. Ein absoluter Supermann, unzerstörbar, unerschrocken, gerissen, klug und tüchtig.

Ein russischer Supermann


 Dieser Supermann bezeichnete vor einigen Jahren den Zerfall der Sowjetunion als die "größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts". Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, daß er der Sowjetunion nachtrauert. Es kann aber genauso bedeuten, daß Putin nicht etwa die schweren wirtschaftlichen Folgen und damit verbundenes Leid seines Volkes mit diesen Worten meint, es kann bedeuten, daß er den Verlust an Macht und Einfluss in der Welt, aber auch in der Region als diese Katastrophe betrachtet. Denn mit den Zerfall der Sowjetunion veränderte sich die Lage an den Grenzen Russlands dramatisch. Während das Sowjetreich zunächst seine Satelliten des Warschauer Paktes und schließlich immer mehr Mitgliedsstaaten der Union selbst verlor, blieb das russische Kernland, die Heimat des Kommunismus mit all seinen Schulden, ruinierter Industrie, Handel und Landwirtschaft, fast ohne Hilfe sich alleine überlassen. So blieb nichts übrig als zum 31. Dezember 1991 die Sowjetunion aufzulösen und einen neuen Staat zu gründen. Die schwere Wirtschaftskrise, der Verlust von fruchtbarem Ackerböden in der Ukraine, der Verlust an Macht, hat den Russen sehr schwer zugesetzt. Die Jahre in denen Jelzin im Kreml regierte hat das Volk bis heute nicht allzu gut in der Erinnerung. Der Terror krimineller Banden, der ungebremste Zuwachs an Kriminalität der brutalsten Sorte, die überall wuchernde Korruption, die veraltete, wegen ihres Zustands leistungsschwache Industrie und Mangel an ernsthafter Hilfe von Außen - dies waren einige der wichtigsten Faktoren, welche Wladimir Putin halfen nach der Macht zu greifen. Er ist bei seinem Volk so beliebt wie schon lange keiner. Seine Beliebtheitswerte sprengen alle Statistiken und er erreicht Zahlen von über 92% der Zustimmung. Diese Werte sind jedoch keineswegs manipuliert oder gar gefälscht - Putin ist es gelungen statt des Verstandes die Herzen der Russen zu erreichen, er lässt sie spühren, daß Russland wieder da ist, wieder an Bedeutung gewinnt und wieder anfängt selbst auszuteilen, statt nur einzustecken. Das ist der Kern seiner Macht und der Grund für die grenzenlose Beliebtheit Putins bei seinem Volk. Putin ist die personifizierte Russische Seele, er ist der Modellrusse, das absolut perfekte Phallussymbol Russlands.


Diplomatie auf Russisch

 Somit sind Putins Worte nicht verwunderlich. Wie es sich für einen autoritären Anführer gehört, kann und will er nicht verkraften, der ewige 2. oder gar 3. zu sein. In Putins Augen gibt es nur den 1. Platz für Russland und ihn selbst, danach strebt er unentwegt. Er leistet fragwürdige Hilfe an jeden unzufriedenen Partner in der Region, selbst wenn diese Unzufriedenheit unbegründet ist oder die Lage in der sich dieser Partner befindet selbst verursacht wurde und dieser Partner von zweifelhafter Moral ist. Immer öfter "helfen" die russischen Geheimdienste GRU und FSB diversen Minderheiten in den angrenzenden Ländern unzufrieden zu werden. Sie stellen russische Ausweispapiere aus, helfen bei der Liquidierung von Grenzübergängen nach Russland, oder stellen über Nacht neue Grenzzäune und neue Grenzposten auf - jedes mal nur ein paar, oder sogar ein paar hundert Meter tiefer im fremden Territorium. Selbstverständlich immer ohne die Zustimmung dieser Länder. Was sollen sie schon tun diese Georgier, diese Ukrainer, wenn der russische Bär entschlossen ist sein Revier zu vergrößern?

 Putin duldet keinen Einfluss des Westen in seinem Grenzgebiet, denn er denkt imperial und für Imperien sind Nachbarländer Vasallen, im schlimmsten Fall Staaten, welche von ihnen politisch und wirtschaftlich stark beeinflusst werden. Aus diesem Grund entschied man sich die politische und wirtschaftliche Bindung Georgiens an die EU und - militärisch - an die USA im Jahre 2008 zu verhindern, die Integrität des Landes zu schwächen und dafür zu sorgen, daß es der NATO nicht beitreten kann. Denn die NATO nimmt nur Mitglieder auf, welche keine ungelösten Fragen zu ihren Grenzen haben. Aus diesem Grund wurden Ossetien und Abchasien von den russischen Truppen besetzt. Der Westen - in erster Reihe die EU - hat den Angriffskireg größtenteils ignoriert, schließlich sogar für Russland gelogen und das russische Märchen, von einem Angriff der bösen Georgier auf das unbewaffnehte Ossetien, bestätigt. Eine Apeasement Politik wie sie die Westallierten gegenüber Hitler in den 30-gern Jahren des 20. Jahrhunderts praktizierten. Es waren jedoch nicht die Georgier, die die Ossetier etwa zuerst angegriffen hatten, es waren die Ossetier, die mit aus Russland eingeschmuggelten Waffen die georgischen Dörfer beschossen und somit den Einmarsch des georgischen Militärs provozierten. Das trägt die Signatur einer typischen Spezialoperation des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Im Endeffekt gab es einen militärischen Konflikt, wie so oft in der Vergangenheit sah sich Russland "gezwungen" einzumarschieren um "das Leben russischsprachigen Minderheiten zu schützen" und der Rest ist Geschichte.

 Genau das gleiche passiert gerade in der Ukraine. Die russischen Truppen besetzten die Krim, zunächst ohne sich als solche offiziell auszugeben. Später dann, als es vollzogen war - gab Putin vor der Öffentlichkeit zu, daß die "Grünen Männchen" (wie die anonymen Truppen genannt wurden) russische Spezialeinheiten und Marineinfanteristen waren. Angeblich besetzten sie die Krim um die russischstämmige Bevölkerung vor den ukrainischen Nationalisten zu schützen. Doch gerade diese Aktion weckte den Nationalismus der Ukrainer so richtig auf, die bis dahin weniger einflussreichen Nationalisten gewannen seit dem Maidan stets an Bedeutung, sie wurden stärker. Die Besetzung Krims war widerrechtlich, denn beim weiten nicht alle auf der Krim waren damit einverstanden sich an Russland anzuschließen. Auch nicht die Mehrheit. Das Referendum wurde frech gefälscht, mit diversen Methoden durchgeprügelt. Zum Beispiel waren viele der abstimmenden Personen, welche keinen Wohnsitz auf der Krim oder dem Rest der Ukraine hatten. Sie waren kurz zuvor aus Russland eingereist, empfingen von den separatistischen Beamten der Krimer Verwaltung vorläufige ukrainischen Ausweise und gingen zur Urne. Wiederum die Tataren schüchterte man ein, einige von ihnen wurden zu Hause abgeholt und ihre Familien sahen sie nie wieder. So führt man Wahlen nach Sowjetmuster durch.

 Der aktuelle Part des Konfliktes in der Ostukraine wird stets mit neuen schweren Waffen und Ausrüstung, der direkten Unterstützung russischer Truppen, aber auch mit russischer Planung und Leitung geführt. Kürzlich erst kam heraus, daß die Separatisten und die sie kräftig unterstützenden russischen Truppen von 5 russischen Generälen befehligt werden. Natürlich kann Russland nur noch Narren und Ignoranten einreden, daß die moderne Ausrüstung der Separatisten aus einem Militärshop oder den Lagern der übergelaufenen Teile ukrainischen Armee stammen und die plötzliche Zuwach an Fähigkeiten der Planungs- sowie Kampfkompetenzen selbst antrainiert wurde. Diese Möglichkeiten können nur best ausgebildeten, trainierten und bestens ausgerüsteten Einheiten besitzen und diese hat nur die Russische Föderation in der Region. Putin heizt den Konflikt weiter an, er lässt ihn kurz etwas abglimmen, zündet ihn dann wieder an und so wird es weitergehen. Es wird zu einem unlösbaren Konflikt wie etwa im Gazastreifen. Es wird weiterhin Menschenleben verschlingen, das Land zerstören, die Bevölkerung zermürben. Die Welt wird zuschauen, die Sanktionen werden weiterhin existieren, doch irgendwann - das glaubt Putin fest - werden diese gelockert werden und man wird - wie bei Georgien 2008 - zur Tagesordnung übergehen. Je mehr die russischen Propagandamedien, aber auch ihre gekauften und bestochenen Befürworter im Westen ihre Lügen verbreiten, die Fehler der EU und der USA lansieren, je lauter sie schreien umso schwächer wird der Widerstand.  Je energischer die Stimmen aus der EU und den USA werden umso mehr Gegenwind erfahren sie. Eine erprobte Taktik und ganz besonders im Westen sehr effektiv. Denn diese Soziotechniken wurden teilweise über Jahrzehnte entwickelt und erprobt, sie wurden schon in den 30-ger Jahren des 20. Jahrhunderts benutzt um den Unmut der westlichen Gesellschaften gegenüber den Kommunismus  zu ersticken. Schon damals tat die Sowjetunion alles um die Wahrheit zu verdrehen um unbequeme Regimekritiker im Ausland verstummen zu lassen. Der moralisch schwache und dekadente Westen hat oftmals - und tut dies bis heute - diese Behauptungen für bare Münze genommen, egal wie absurd sie waren. Die russische Diplomatie - allen voran Putin und Sergei Lawrow - lügt dem Westen dreist in die Augen, behauptet stets keinen Anteil am Krieg in der Ostukraine zu haben, auch wenn alle wissen, daß es nicht wahr ist - dieser Standpunkt wird hingenommen. Die diplomatisch schwachen und naiv anmutenden Führer der "freien Welt" halten sich mit harter Kritik zurück und nur sehr selten, vereinzelt, wirderspricht man der frechen russischen Desinformation. Die russiche Politik war allerdings schon immer gerissener, hinterhältiger, verschlagener und verlogener als die aller anderen. Es ist die unübersehbare Wahrheit welcher wir uns nicht mehr verschließen dürfen.

 So war es schon fast immer in der Vergangenheit. Beispielweise in den 20-ger und 30-ger Jahren des 20. Jahrhunderts verließen viele Dissidenten und politische Gegner der herrschenden Kommunisten die Sowjetunion, versteckten sich vor Lenins und später Stalins Zorn. Da sie jedoch oftmals ihre Heimat nicht aufgeben wollten und weiter für ihre Befreiung (oder für die eigenen politischen Ziele) arbeiteten, entsendete das rote Regime ganze Heere von Attentätern in die Welt hinaus um seine Gegner zu ermorden. Sie mordeten in ganz Westeuropa, aber auch in den USA und sogar in Mexiko. Was viele heute nicht mehr wissen, wurde einer der größten Widersacher Stalins, Leo Trotzki (selbst ein Kommunist) in seinem Haus in Mexiko City, von dem sowjetischen Agenten Ramón Mercader brutal mit einem Eispickel ermordet. Das erinnert an den Polonium Mord an dem ehemaligen FSB Geheimagenten und Putin-Kritiker Alexander Litwinenko in London 2006. Litwinenko schrieb als co-autor ein bis heute in Russland verbotenes Buch, welches die Hintergründe der Anschläge auf die Wohnhäuser in den russischen Städten (Buinaksk, Moskau, Wolgodonsk) aufdeckte, bei denen über 300 Menschen ums Leben kamen. Diese Anschläge dienten Wladimir Putin als Vorwand für den zweiten Tschetschenien Krieg 1999 bis 2009. Nicht nur als Sowjetunion, aber auch später als Russische Föderation führte und führt Russland Kriege und beispiellose Geheimdienstoperationen durch, sie schrecken nicht davor zurück Menschenleben in rauen Mengen auszulöschen, sie entsenden immer mehr Soldaten in die Ostukraine, lassen sie dort sterben und belügen danach ihre Familien über die Todesursache und den Todesort. So wie schon früher in der Geschichte ist Russland dazu gerne bereit auch Millionen von eigenen Menschenleben zu opfern, zivile Verkehrsflugzeuge abzuschießen (wie die MH17 über der Ostukraine und vermeintliches, jedoch nicht aufgeklärtes Attentat auf die polnische Präsidentenmaschine am 10. April 2010 in Smolensk), Massaker zu begehen, Dissidenten und politische Gegner wie Boris Nemzow, Anna Politkowskaja, sogar ganze Regierungen zu ermorden oder auländische Funktionäre in ihren Ländern zu entführen, Wohnhäuser mit eigenen Bürgern darin zu sprengen, in souveräne Länder einzumarschieren (Polen 1772, Polen 1920, Polen und Finnland 1939, Baltenstaaten und Bessarabien 1940, Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1968, Afghanistan 1979, Tschetschenien 1994 und 1999, Georgien 2008 und Ukraine 2014), Staaten zu destabilisieren, Informationskriege zu führen, anderen Ländern mit Atomwaffen und den zugedrehten Gashahn zu drohen oder sie politisch und diplomatisch anzugreifen. Russland wir alles nur mögliche tun um die eigenen Ziele zu erreichen.

 Man könnte sagen: die USA sind auch nicht viel besser, auch die USA haben vieles davon getan, selbst die westlichen Kolonialmächte wie Großbritannien, Belgien und Frankreich, ja selbst Deutschland hatten ihre dunklen Zeiten. Das stimmt auch alles. Doch nur weil der Westen auch seine Schattenseiten hat, ist Russland noch lange kein gütiger Rechtsstaat auch wenn uns das Moskau hörige Propagandisten stets einreden möchten. Doch steter Tropfen höhlt den Stein - sie werden mit der Manipulation nicht aufhören und weitermachen.

Machen wir uns daher nichts vor - die Russische Seele hat auch eine sehr dunkle Seite.


Der naive Westen und die selbsternannten "Russlandversteher"

 Die Menschen im Westen Europas - sowohl das Volk wie auch die Politiker - sehen ihr Verhältnis zu Russland verfälscht. Viele blenden sich selbst und versuchen das russische Denkschema dem eigenem gleichzusetzen. Das ist jedoch nicht möglich, denn Russland ist - schon laut den Russen selbst - kein Land wie ein anderes, es es ist ein Gemütszustand. Wir können unsere Denkweise, unsere Art zu funktionieren nicht nahtlos auf Russland übertragen. Unsere Schlüsse müssen nicht ihre sein und ihre Schlussfolgerungen können wir nicht verstehen. Wir müssen endlich lernen, daß es Menschen gibt, die eine gänzlich andere Mentalität - nicht nur in der weiten Welt, aber auch bereits in Europa oder an seinen Grenzen - haben und ihre Werte nicht die unseren sind.

 Ein eklatanter Mangel an geschichtlicher Bildung im Westen, ebenfalls fehlende handfeste Erfahrungen mit Russland und russischer Denkschemata, sowie eine gewisse und tiefverwurzelte Ignoranz, kombiniert mit einem Schuss von Arroganz - "wir sind der Westen, wir sind so viel weiser als das Osteuropa" - tragen und trugen in der heutigen, aber auch gestrigen Welt mit die Verantwortung dafür, daß überall die "Russlandversteher" hervorspringen und den Westen für die Ost-Erweiterung der NATO und die Beitrittsgespräche mit der Ukraine geißeln. Andere Menschen wiederum - die nicht selbständig denken und analysieren möchten - plappern das nach was sie in den Medien erfahren. Doch ganz besonders in den Medien sitzen oftmals diese freiwilligen Propagandisten Russlands, so verliebt in das Putinische Paradies, daß sie ihr gefährliches Halbwissen und verblendete Russlandliebe freiwillig verbreiten. Es gibt aber auch selbstverständlich welche, die für diese Propaganda bezahlt werden, die angeheuert wurden um das Bild Russlands zu verschönern und den Westen an der Putinliebe teilhaben zu lassen. Diese werden in den Reihen der Journalisten, Reporter, Politiker, angesehener Geschäftsleute, Blogger, aber auch unter normalen Menschen - die sich etwas hinzuverdienen möchten - von russischen Vertretungen angeheuert. Sie schreiben Artikel, sie drehen Reportagen, veranstalten "Informationskonferenzen", bloggen oder schreiben auch einfach pro-russische Kommentare in Foren und unter den Beiträgen der Online Nachrichtenseiten. Für großes und kleines Geld. Schließlich herrscht gerade ein Informationskrieg.

 In Wirklichkeit gab es zwar Gespräche über die Erweiterung der NATO, aber niemals eine schriftliche Vereinbarung, daß die NATO sich nicht auf Polen, Ungarn oder Baltikum erweitern würde. In der Diplomatie und Politik sind Unterschriften jedoch wichtig. Solche Unterschriften - auch im Namen Russlands - findet man allerdings unter dem Budapester Memorandum von 1994. Dieses Memorandum garantiert die territoriale Integrität der Ukraine. So eine Unterschrift wurde auch unter dem INF-Vertrag von 1987 niedergelegt, welcher die Vernichtung von Mittelstreckenraketen vereinbart. Doch schon mindestens seit Ende der 2000-er Jahre soll Russland diesen Vertrag, regelmäßig und bis vor kurzem ohne jegliche Reaktion des Westens, verletzt haben. Verschweigen, unter den Teppich kehren hieß die Devise westlicher Regierungen.

 Jetzt, vor dem Hintergrund der Ukraine Krise und all der Sanktionen hat man sich an all die Miesetaten Russlands erinnert. Klar, Vertragsverletzungen kann man auch den anderen oftmals vorwerfen, doch hiermit wird die Absurdität der prorussischen Rhetorik der Putinversteher überdeutlich belegt - Russland ist auch hier keineswegs besser oder aufrichtiger als die USA oder die NATO. Die Ignoranz und Arroganz der westeuropäischen Putin-Trolle liegt jedoch noch ganz wo anders. Sie nehmen sich das Recht heraus über die Köpfe anderer Staaten entscheiden zu wollen was für diese Länder falsch oder richtig ist. Sie sind der Meinung besser zu wissen was für die Polen oder Balten vorteilhafter wäre, sie bilden sich ein Russland zu verstehen, versuchen dennoch die Länder an Russlands Grenzen nicht einmal ansatzweise zu begreifen. Diese Kommentatoren wären damit besser beraten, wenn sie zunächst einen konstruktiven und pragmatischen Dialog, mit einem Minimum an Wissen und Verständnis für die Skepsis der Zentraleuropäer, führen würden.

 Doch bevor so ein Dialog stattfinden kann - so befürchte ich - müssen diese Personen die neuere Geschichte dieses Teils von Europa durchaus genauer studieren als sie es (wenn überhaupt) bisher taten, um diese - so viel europäischeren als das russische - Völker und ihre tiefen Sorgen richtig zu deuten. Ein neuer Blick auf Russland, durch das Prisma seiner Nachbarn, würde sicherlich eine neue Sichtweise ermöglichen. Vielleicht sollten diese selbsternannten Versteher Russlands endlich begreifen, daß auch bei diesen Staaten sich um souveräne Länder handelt und nur diese selbst - nicht etwa der Westen und schon garnicht Russland - das Recht haben Entscheidungen zu treffen, sich einem Bündnis ihrer Wahl anzuschließen, sich selbst zu regieren und sich ihre territoriale Integrität selbst zu erhalten. Wieso beharren diese Menschen denn immer nur darauf Russland verstehen, niemals aber Lettland, Estland oder Litauen? Brauchen diese Länder in ihren Augen denn kein Verständnis für ihre Standpunkte? Natürlich, doch um die komplexe Lage dieser Region und die Zusammenhänge zu verstehen, muss man mehr über die Geschichte der besagten Länder - in Relation zur Russlands Politik über Jahrhunderte hinweg - erfahren.


Eine neue Kriegsart und ganz besondere Freundschaften

 Russland erkannte nach der Georgien Krise, daß es nicht mehr dazu in der Lage ist effektiv Länder in seiner nächsten Umgebung zu destabilisieren. Während der Westen gemütlich schlief, entwickelte man neue Methoden der Kriegsführung, nicht nur im klassisch-militärischen Bereich, aber auch im Internet durch Cyberangriffe, Propaganda, Desinformation sowie Trolling in den in- uns ausländischen Medien. Auch das Drehen am Gasventil und die gegen den Westen verhängten Sanktionen sind ein Teil dieser komplexen, unübersichtlichen Kriegsführung auf mehreren Ebenen. Diese neue Art der Kriegsführung bezeichnet man als den "Hybriden Krieg". Es erinnert an die Intrigen und Meuchelmorde im alten Rom, an die dunkle Zeit des Mittelalters, jedoch an die modernen Zeiten angepasst und mit einer gehörigen Portion Psychologie und Technologie verfeinert. Der Westen ist auf diesen Krieg unvorbereitet, die Politik war zunächst völlig ratlos und die Aufklärung - besonders was die Krim angeht - versagte vollständig. Erst sehr langsam und meist ineffektiv versuchen die NATO und die EU den Geist wieder in die Flasche zu verbannen, doch das wird nicht gelingen. Putin wird die Krim nicht zurückgeben, der Konflikt in der Ostukraine wird weiterhin angeheizt und das Land Stückchen für Stückchen abgerissen und an Russland angeschlossen. Er bedient sich des Begriffes des Neurusslands, ein Gebiet zwischen Rumänien und Donetzk. Das ist sein Ziel, damit will er in die Geschichte eingehen - das Wiederbesetzen des Neurusslands auch auf Kosten eines Souveränen Staates. Er wird auch den Westen weiterhin provozieren um die Entscheidungskraft der westlichen Politiker zu schwächen und ihre Wachsamkeit einzuschläfern.

 Allerdings nicht nur die Ukraine oder Georgien müssen sich vor Russland fürchten, die Zeichen erkennen auch andere Nachbarn Russlands und machen sich große Sorgen. Die Polen und die Balten beobachten Russlands Vorgehen mit Argwohn, setzen auf militärische Bündnisse und die Modernisierung ihrer Armeen, sie fordern von der NATO die dauerhafte Verlegung militärischer Kampfverbände (US Streitkräfte hauptsächlich) aus Deutschland nach Zentraleuropa, sie unternehmen stets Bestrebungen um die Ukraine zu stärken und die EU sowie die USA wach zu rütteln. Sie haben bereits seit Jahrhunderten ihre Probleme mit Russland und wissen, daß aus Russland noch nie was gutes gekommen ist. Die Polen etwa halten die Russen nicht etwa für ihre Befreier vor Hitler, sie halten sie einfach nur für neue Unterdrücker, für die neuen Okkupanten. Die nicht viel besser waren als die unmenschlichen Schergen des III. Reiches. Nicht mehr Sympathie gegenüber Russland empfinden die Esten, Litauer, Letten oder Ungarn. Diese tiefe Abneigung ist historisch bedingt und es prägte diese Völker sehr stark. Somit kann Russland nicht auf wahre Sympathien zählen, es muss nun anfangen seine Nachbarn als Partner und nicht als Vasallen oder Feinde zu betrachten, nur so wird es sich irgendwann - wahrscheinlich frühestens in Hundert Jahren - Vertrauen und Zuneigung verdienen. Doch machen wir uns nichts vor - dazu wird es nicht kommen, denn Russland wird immer bleiben wie es ist - ein sehr unglaubwürdiger Partner.

rP


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Quellen:

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-05/ukraine-putin-wahlfaelschung
http://www.tagesschau.de/ausland/ai-krim-101.html
http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-04/ukraine-krim-un-bericht-folter
http://blog.zeit.de/bittner-blog/2008/08/11/der-kaukasus-krieg-wie-alles-begann_103
https://de.wikipedia.org/wiki/Neurussland
http://www.focus.de/politik/ausland/abschlussbericht....html
http://www.welt.de/politik/....Estland-destabilisieren.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Katyn
https://en.wikipedia.org/wiki/Trial_of_the_Sixteen
https://de.wikipedia.org/wiki/Versto%C3%9Fene_Soldaten
https://en.wikipedia.org/wiki/Cursed_soldiers
http://www.amazon.com/Blowing-Up-Russia-Secret-Terror/dp/1594032017
 

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